Unsere Fragen an die Wiesbadener Oberbürgermeisterkandidaten
Beantwortet von: Gert-Uwe Mende (SPD), Thilo von Debschitz (unabhängig, nominiert von CDU und FDP), Ralf Offermans (AfD), Ingo von Seemen (Die Linke) und Andreas Gutzeit (FWG)
Am 10. Juli 2024 haben die USA und Deutschland am Rande des NATO-Gipfels in Washington in einem bilateralen Statement angekündigt, ab 2026 landgestützte US- Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, sogenannte „Long Range Fires“ (LRF). Sie verfügen über Reichweiten von bis zu 3.000 km und haben damit das Potential, von Deutschland aus Ziele von strategischer Bedeutung in der Tiefe Russlands anzugreifen. Nach den Planungen des US-Militärs wird der Führungsstab für diese Raketeneinheiten in Wiesbaden angesiedelt sein und ist wohl auch schon vor Ort. In Wiesbaden befinden sich darüber hinaus mit ca. 5000 US-Soldaten das US-Hauptquartier der Landstreitkräfte für Europa und Afrika und das NATO-Unterstützungskommandos für die Ukraine.
Die geplante Raketenstationierung ist militärfachlich von Oberst a.D. Wolfgang Richter mehrfach beurteilt worden (Publikation Friedrich-Ebert-Stiftung vom 15.7.2024, Vortrag bei der SPD in Wiesbaden am 18.11.2024). Den aktuellsten Beitrag vom 25.12.2024 „Gefährden die neuen US-Raketen in Deutschland das nukleare Gleichgewicht?“, Berliner Zeitung, fügen wir zu Ihrer Information bei, weil hierin auch alle Gesichtspunkte, die gegen eine Raketenstationierung sprechen dargestellt werden.
Zusammengefasst:
– Die LRF sind weit mehr als ein operatives Gegengewicht zu den in Kaliningrad und Luga stationierten russischen Iskander-Systemen mit max. 500km Reichweite.
– Die in Europa stationierten See- und Luftstreitkräfte der NATO mit weitreichenden Marschflugkörpern sind der russischen Seite quantitativ und qualitativ weit überlegen.
– Mit einer Flugdauer von 10 Minuten bis Moskau und 15 Minuten in den Ural können Ziele in Russland unter Bedrohung gehalten werden, die für das nuklearstrategische Gleichgewicht bedeutsam sind. Alle Schritte, die dieses Gleichgewicht unterminieren, verschärfen die Bedrohungswahrnehmung und tragen zur Destabilisierung der Sicherheitslage bei.
– Die Vorwärtsdislozierung präziser und durchschlagfähiger LRF könnte einen potentiellen „Erstschlag“ verstärken, mit dem Ziel, das Zweitschlagpotenzial der Gegenseite auszuschalten. Die Fähigkeit, russische Raketen zu zerstören, bevor sie abgefeuert werden, „ist kein Abschreckungsgewinn. Sie passt in kein plausibles politisches Szenario und erhöht das Risiko für Deutschland.“
– Russland wird stationierte LRF als Gefahr für das strategische Gleichgewicht ansehen. Sollte Russland „in einer Krise zu dem Schluss kommen, dass ein militärischer Konflikt unabwendbar ist, muss es nach militärischer Logik solche Systeme in ihren Stationierungsräumen präventiv zerstören.“ Konkret also die LRF-Einheiten in Deutschland mit Führungsstab in Wiesbaden. Bei von Russland angenommener existentiellen Gefährdung würde auch der Einsatz taktischer Atomwaffen erwogen werden. „Das Risiko eines solchen Szenarios trägt Deutschland ganz allein.“
– Um, gerade auch im deutschen Sicherheitsinteresse, Stabilität und Sicherheit in Europa „zu gewährleisten, sollte man Moskau anbieten, einen Stationierungswettlauf landgestützter Mittelstreckenraketen durch Dialog und Rüstungskontrolle abzuwenden. Dies ist eine Frage der künftigen europäischen Sicherheit… Anders als beim Nachrüstungsbeschluss von 1979 gab es bisher kein Dialogangebot an Moskau, um den Stationierungswettlauf abzuwenden.“
– „Zudem muss Deutschland zum bewährten Konzept der Risiko- und Lastenverteilung zurückkehren, um eine strategische Isolierung zu verhindern… Kein anderer europäischer Staat will derzeit US-Mittelstreckenraketen stationieren.“
Unsere Fragen:
1. Teilen Sie diese Analyse und die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Der russische Überfall auf die Ukraine hat uns gezeigt, wie verletzlich das Völkerrecht ist. Ich finde, dieser Gewalt eines Aggressors darf man sich nicht beugen. Trotzdem müssen wir mit Augenmaß reagieren und dürfen uns auf eine allein militärische Logik nicht einlassen. Die Sorge vor einer Eskalation oder einem Rückfall in den Kalten Krieg ist spürbar. Der Teufelskreis der Aufrüstung darf sich jedenfalls nicht verselbständigen, sondern gerade die Stationierung neuer Waffen muss immer sorgfältig abgewogen werden. Entgegen Ihrer Unterstellung trägt Deutschland die Risiken einer Stationierung von US-Mittelstreckenraketen nicht alleine. | Nein. Es handelt sich hier um eine relativ einseitige Abwägung, die in vielerlei Hinsicht auf nicht beweisbaren Annahmen basiert. Spätestens seit dem Führungswechsel in den USA gebietet sich eine komplette Neubewertung der strategischen Ausrichtung. | Siehe Antwort auf Frage 2-12. | Die Frage und der Sachverhalt sind zu komplex um sie einfach mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. |
2. Beunruhigt Sie der Umstand, dass Wiesbaden als Standort der amerikanischen Kommandozentrale für den Einsatz der LRF-Mittelstreckenraketen im Krisen- oder Kriegsfall Ziel eines gegnerischen Präventivschlags werden könnte?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Als Standort des US-Armee-Hauptquartiers für Afrika und Europa und aufgrund der langjährigen Stationierung von US-Truppen ist Wiesbaden sicher schon immer ein militärisches Ziel. Das Ziel aller politischen und militärischen Maßnahmen muss sein, militärische Konflikte zu vermeiden, die Durchsetzung des Völkerrechts zu erreichen und das Risiko eines Präventivschlags zu minimieren. Ein solcher wäre – völlig unabhängig von der Frage, welche Einheiten in Wiesbaden stationiert sind – eine Katastrophe. | Ja und nein. Eine solche Angst teile ich mit Millionen Menschen weltweit. Und doch ist mir die gefühlte Ernsthaftigkeit seit meiner bewussten Wahrnehmung amerikanischer Militärpräsenz auf deutschem Boden, und somit auch in Wiesbaden, alles andere als neu. Man könnte beinahe von Gewohnheit sprechen. | Ja. Ich bin gegen die Raketenstationierung und für einen baldigen Abzug der US-Truppen. | Es ist Spekulation, wo ein eventueller Präventivschlag erfolgen würde. |
3. Sehen Sie in der geplanten Stationierung Waffensysteme, so wie Oberst a.D. Wolfgang Richter, eine Gefahr für den Weltfrieden und damit eine Bedrohung auch für die Sicherheit der hier lebenden Bevölkerung – siehe auch Frage 2? Ist die Gewährleistung der Sicherheit der Wiesbadener Bevölkerung nicht auch ein kommunaler Belang, den es zu gewährleisten gilt? Schließlich ist „Sicherheit“ stets ein kommunales Thema und es gibt bekanntlich einen Ausschuss, der sich u.a. speziell mit der Sicherheit beschäftigt.
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Die wesentliche Gefährdung des Weltfriedens geht aus meiner Sicht von Autokraten aus, welche die die Souveränität anderer Staaten nicht respektierten und der Auffassung sind, dass man in Europa Grenzen mit Waffengewalt verschieben darf. Aus der Spirale der Gewalt kann allerdings nur ausgebrochen werden, wenn auf internationaler Bühne Kompromissbereitschaft und der Wille für einen dauerhaften Frieden die Oberhand gewinnen. Als Wiesbadener Oberbürgermeister habe ich keinen Einfluss auf diesen Aspekt der Sicherheitspolitik unseres Landes, mahne aber zur Rückkehr zu tragfähigen und vor allem eingehaltenen Abrüstungsabkommen, zur Begrenzung der Bewaffnung und zur Einhaltung des Völkerrechts. | Ja, siehe Frage 2 – und ja, natürlich ist Sicherheit auch zwingend ein kommunales Thema. Allerdings ist die Einschätzung einer Bedrohungs- bzw. Sicherheitslage nur bedingt möglich, was daran deutlich wurde, dass unser OB von der Stationierung einer Einheit mit 500 Mann Stärke zur Koordination von Einsätzen in der Ukraine lediglich aus der Tageszeitung erfuhr. | Weltfrieden ist eine schöne Utopie. Bei aktuell über 40 bewaffneten Konflikten weltweit ist die Menschheit davon allerdings weit entfernt. Die Sicherheit der Wiesbadener ist natürlich gefährdet, wenn es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der NATO kommen sollte. Der Sicherheitsausschuss hat die Sicherheit der Wiesbadener Bevölkerung zur Aufgabe, ist aber sicher weder qualifiziert noch zuständig um außenpolitische Fragen zu erörtern. Zu den kommunalen Sicherheitsfragen gehören aber sicherlich die Aktivitäten der NATO und der USA im Wiesbadener Stadtgebiet. Hier habe ich, und hat Die Linke, eine klare Haltung. Wir lehnen die Stationierung der US-Truppen generell ab. Das gilt auch für sämtliche Waffensysteme. | Die Sicherheit, auf die sich die Kommune bezieht, ist das, was die Kommune beeinflussen kann. Hier geht es um die Gefahrenabwehr im Rahmen der Verwaltungstätigkeit, aber auch die Bereitstellung von Infrastruktur wie z.B. Schutzräume im Katastrophenfall. |
4. Artikel 69 der Hessischen Verfassung enthält ein sehr konkret ausformuliertes Friedensgebot. Würden Sie in dem angestrebten Amt eine Prüfung veranlassen, ob die geplante Raketenstationierung hiermit vereinbar ist?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Das Friedensgebot in der Hessischen Verfassung ist Ausdruck einer klaren Haltung. Daraus ergibt sich aber keine unmittelbare Handlungsoption, hier ist das Bundesrecht vorrangig. | Unabhängig von tatsächlichen Möglichkeiten – hier geht es offensichtlich um landespolitische Verantwortung gemäß der hessischen Verfassung, betrachte ich den Rechtstaat als ein hohes Gut und natürlich würde ich mich, als OB dafür einsetzen, dass geltendes Recht durchgesetzt wird. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die Einrichtung von Militärstützpunkten in meinem Verantwortungsbereich rechtlich geprüft wird. | Ja. | Einer rechtlichen Prüfung im Kontext der Maßnahmen in diesem Kontext (bezogen auf die Zuständigkeit der Kommune) stünde m.E.n. nicht entgegen. |
5. Es gibt ein weltweites Friedensnetzwerk „Mayors for Peace“. Würden Sie ihm im angestrebten Amt beitreten, bzw. Mitglied bleiben, wie es bisher bereits Herr Mende ist? Wenn ja, wie würden Sie im Sinne dieses Netzwerks aktiv werden?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Als Oberbürgermeister bin ich bereits Mitglied dieses Netzwerkes und unterstütze seine Arbeit. Beispielsweise wird jedes Jahr am 08. Juli wird am Rathaus die Fahne der Mayors-for-peace gehisst. Damit sprechen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Netzwerks für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen aus. | Ja. | Wie bereits mein Genosse Hartmut Bohrer in AKK, werde auch ich ein Mayor for Peace. | Ich bin als Person und natürlich auch als Oberbürgermeister für den Frieden. Ob innerhalb oder außerhalb von Netzwerken dieser Art bleibt zu prüfen. |
6. Müssten nicht die mit den Fragen zu 2-5 aufgeworfenen Problemkreise Anlass sein, bereits jetzt persönlich, vor allem aber in dem angestrebten Amt dafür zu sorgen, dass die Wiesbadener Bevölkerung umfassend über die geplante Raketenstationierung aufgeklärt wird? Was würden Sie diesbezüglich veranlassen?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Nachdem mir aus den Medien die Stationierung bekannt wurde, habe ich umgehend das Verteidigungsministerium angeschrieben und um Aufklärung gebeten. Die zugegeben spärlichen Antworten waren sowohl in Ausschüssen als auch der Stadtverordnetenversammlung Thema und sind daher der Öffentlichkeit bekannt. | Sobald eine Stationierung faktisch bevorstünde und eine Information der Bevölkerung durch den OB gestattet wäre, würde ich dies vollumfänglich weitergeben. | Die Stadt Wiesbaden selbst ist nicht besonders gut informiert. Ich würde daher im Deutsch-Amerikanischen Ausschuss Informationen einfordern. Außerdem würde ich die Bundesregierung um Informationen bitten. Alle Informationen sollten der Allgemeinheit vorliegen. | Suggestivfrage, daher von mir nicht zu beantworten. |
7. Vor mehr als 30 Jahren sind u.a. die Militärgelände Camp Lindsay und Camp Pieri aufgegeben und einer kommunalen Nutzung zugeführt worden. Wäre dies nicht auch für die militärischen Liegenschaften in Mainz-Kastel und Erbenheim erstrebenswert? Wäre es daher nicht auch im kommunalen Interesse, sich öffentlich und an die zuständigen Instanzen gerichtet für die Beendigung von Kriegen und für Friedens- und Abrüstungsvereinbarungen einzusetzen? Wie würden Sie diesbezüglich aktiv werden wollen?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Ich bin mir sicher, dass wir als Stadt von der Konversion aktuell militärisch genutzter Flächen in unserer Stadt profitieren würde. Durch meine regelmäßigen Kontakte mit den Amerikanern weiß ich allerdings, dass eine Aufgabe der militärischen Liegenschaften aktuell für die US-Armee nicht in Frage kommt. Ich stehe öffentlich für Frieden und Abrüstung. Die Entscheidungen darüber werden aber auf anderen politischen Ebenen getroffen. | Die Auf- bzw. Rückgabe der beiden Militärgelände dürfte unter strategischen Gesichtspunkten zu einer mehr als adäquaten Vergrößerung des Standortes in Erbenheim geführt haben. Kastel zurückzuerhalten wäre schön, Erbenheim als größten Militär-Standort außerhalb der USA in Verhandlungen einbeziehen zu wollen, wäre völlig absurd. | Die Linke setzt sich seit ihrem Einzug ins Stadtparlament 2001 für einen Abzug der US-Truppen ein. Dies werden wir auch weiter tun. | Natürlich sind die Konversionsflächen, die aktuell noch von der US Army genutzt oder verwaltet werden erstrebenswert um Gewerbe und/oder Wohnraum zu schaffen. Die Frage selbst ist aber suggestiv und demnach von mir nicht zu beantworten. Wenn Flächen frei werden, werde ich als Oberbürgermeister dafür sorgen, dass diese einer entsprechenden, zivilen Nutzung zugeführt werden. |
8. Ist Ihnen ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bekannt, in dem der Magistrat aufgefordert wird, sich für die Freigabe des 25 ha großen Militärgeländes „Storage Station“ in Mainz-Kastel einzusetzen und einen Bebauungsplan für das Gelände zu entwickeln? Würden Sie sich für die Realisierung dieses Beschlusses einsetzen?
Mende | von Seemen | Gutzeit |
Ja, ansonsten siehe Antwort zu Frage 7. | Diese Anträge kommen immer von der Linken. Daher würde ich als Oberbürgermeister auch hier tätig werden. | Siehe Antwort auf Frage 7. |
9. Sind Ihnen kommunale Informations- und Beteiligungsrechte in Bezug auf die Nutzung von Militäreinrichtungen bekannt? Wenn ja, wie würden Sie diese in Bezug auf die zahlreichen geänderten und erweiterten sowie geplanten Nutzungen ausüben? Würden Sie ausgeübte oder geplante Nutzungen der militärischen Liegenschaften regelmäßig prüfen lassen in Bezug auf Beeinträchtigungen der kommunalen Planungshoheit sowie auf Immissionen aller Art und Gefährdungen für die Sicherheit der hier lebenden Bevölkerung?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Für die Beurteilung, ob und ggf. inwieweit Rechte oder Interessen der Landeshauptstadt Wiesbaden betroffen sind oder sein können, ist entscheidend, dass gegenwärtig keine Anhaltspunkte für eine über die in der Überlassungsvereinbarung getroffenen Regelungen hinausgehende Nutzung der überlassenen Liegenschaften bestehen. Es besteht ein regelmäßiger Austausch mit der US-Armee über die Entwicklungen der Anzahl der Fluggeräte auf und die Flugbewegungen ausgehend von der Clay Kaserne in Erbenheim. Darüber hinaus stand und steht die Landeshauptstadt Wiesbaden auch mit dem Land Hessen und dem Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, sowie dem Bundesministerium der Verteidigung in Kontakt. Sollten sich zukünftig Hinweise auf eine wesentliche Nutzungsänderung ergeben, welche den Abschluss einer neuen bzw. die Änderung der bestehenden Überlassungsvereinbarung erforderlich werden ließe, kann die Landeshauptstadt Wiesbaden entsprechende Maßnahmen ergreifen und ihre Beteiligungsrechte bei den zuständigen Stellen geltend machen. | Nein – das ist nicht mein Spezialgebiet! Regelmäßige Überprüfungen allerdings sind unabdingbar. Auch in dieser Frage dürfte die Zuständigkeit jedoch eher auf Landes-, wenn nicht Bundesebene liegen. | Ja, ich würde alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Wiesbaden hat. | Nein, diese sind mir nicht bekannt. Grundsätzlich sind aber Maßnahmen jedweder Art, die eine tiefgreifende Auswirkung auf kommunale Interessen unserer Heimatstadt haben, zu prüfen und zu bewerten. Hierzu gehört auch, mögliche Rechtsfragen zu klären. |
10. Sind Sie bereit, Liegenschaftsüberlassungsvereinbarungen, soweit nicht bekannt, anzufordern und auf ihre rechtliche Zulässigkeit prüfen zu lassen oder dies bei den zuständigen Stellen einzufordern?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Die gültige Liegenschaftsvereinbarung zwischen der BIMA und der US Army für die Clay Kaserne (den Flugplatz Erbenheim) liegt der Landeshauptstadt Wiesbaden vor. Darüber hinaus gibt es keinen Anlass, die Rechtmäßigkeit dieser als auch anderer bestehender Liegenschaftsvereinbarungen, anzuzweifeln. | Ja – im Rahmen gegebener Möglichkeiten. | Ja. | Viele Flächen liegen nicht im Eigentum der Landeshauptstadt, sondern der BIMA. Daher liegt dort auch die Zuständigkeit. Sollten unsererseits rechtliche Zweifel aufkommen, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. |
11. Verbunden mit dem Begriff der „Kriegstüchtigkeit“ werden in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen (Infrastruktur, Katastrophenschutz, Heimatschutz, Gesundheitswesen usw.) Vorbereitungen auf einen Kriegsfall getroffen. Unabhängig von den damit verbundenen Kosten für Sachmittel, Personal usw., die zu Lasten aktueller Bedürfnisse gehen, wird die Bevölkerung psychologisch auf eine Kriegssituation eingestimmt. Wie beurteilen Sie das? Gilt nicht bei allen denkbaren Kriegsszenarien, dass die Zerstörung zwangsläufig so gewaltig wäre, dass es allein gilt, mit Diplomatie einen Krieg auf deutschem Boden oder unter deutscher Beteiligung zu verhindern? Würden Sie mithin in dem angestrebten Amt im Rahmen kommunaler Einflussmöglichkeiten dafür sorgen, dass sich die LH Wiesbaden nicht an solchen Maßnahmen der „Kriegstüchtigkeit“ beteiligt?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Wie oben beschrieben, setze ich mich für Frieden und Abrüstung ein. „Kriegstüchtigkeit“ ist kein Wort, dass ich gewählt hätte. Dennoch gehe ich davon aus, dass wir mehr auf die Sicherheit unserer kritischen Infrastruktur achten müssen und mehr Wert auf Resilienz legen müssen. | Diese „Frage“ lässt sich nicht mit Ja oder Nein beantworten – allein schon, weil ich den Begriff „Kriegstüchtigkeit“ als ungeheuerlich empfinde. Wer die Haltung der AfD zu Friedensverhandlungen kennt, weiß, dass wir den fehlenden Willen, den Krieg im Osten zu beenden, immer kritisiert haben. An jedem Tag, den der Krieg weiter andauert, sterben unzählige Menschen auf beiden Seiten. Auch ich werbe weiterhin für eine schnellstmögliche Beendigung dieses sinnlosen Konfliktes, den keiner gewinnen kann. Es braucht endlich Friedensgespräche. Gleichzeitig braucht Frieden aber auch Stärke. Der Begriff der Kriegstüchtigkeit klingt beängstigend, allerdings muss die Bedrohung durch die Russische Föderation auch gezielt überzeichnet werden („2029 ist Russland in der Lage, die NATO anzugreifen“), um ein Bewusstsein für die dringend notwendigen Reformen der Bundeswehr in der Bevölkerung zu schaffen. Eine kaputtgesparte Bundeswehr benötigen wir nicht. Entweder wir haben Streitkräfte, die uns beschützen können, oder wir können uns das Geld komplett sparen. | Ich selbst und meine Partei Die Linke wollen nicht das Deutschland kriegstüchtig wird. Wir wollen das Deutschland friedensfähig wird. | Ob „Kriegstüchtigkeit“ der richtige Begriff ist, darüber kann man streiten. Ich bin jedoch, aufgrund vieler internationaler Krisen und Bedrohungen dafür, dass wir als Kommune und auch als Bürgerinnen und Bürger unseren Beitrag der Bundesrepublik Deutschland leisten für die Gesamtgesellschaft. |
12. Wenn sich die Bundeswehr im öffentlichen Raum präsentieren möchte, werden Sie dann einerseits dafür sorgen, dass kein militärisches Material zur Schau gestellt wird, und andererseits dafür, dass Friedensorganisationen, wie z. B. der DFG-VK, die Möglichkeit eingeräumt wird, parallel hierzu zu informieren?
Mende | Offermans | von Seemen | Gutzeit |
Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle gesellschaftlichen Gruppen in einer Demokratischen Gesellschaft auch den öffentlichen Raum zur Artikulation ihrer Interessen nutzen dürfen. | Ja und Nein – so, wie die Bürger informiert werden sollen (z.B. „Tag der offenen Tür“), wofür verteidigungspolitische Mittel verwendet werden, muss auch Friedensorganisationen die Information möglich sein – allerdings nicht in Form von Gegendemos, Sitzblockaden mit Polizeieinsatz etc. | Als Oberbürgermeister würde ich selbst an Demonstrationen gegen die Militarisierung unserer Gesellschaft teilnehmen. Soweit es rechtlich möglich ist, würde ich versuchen, keine Veranstaltungen der Bundeswehr zuzulassen. Ein Gegenprotest muss immer möglich sein. | Wenn es, egal von welcher Seite oder Organisation, Anträge gibt, um eine Informationsveranstaltung durchzuführen, werden wir diese seriös prüfen und entsprechend genehmigen. Einen Automatismus, wenn A eine Genehmigung erhält, darf B ebenfalls direkt und ohne weitere Klarstellung veranstalten, ist in meinem Rechtsverständnis und auch im Kontext der Gleichbehandlung nicht zulässig. |
Thilo von Debschitz gab folgende Stellungnahme ab: „Der Einflussbereich eines Oberbürgermeisters in Bezug auf die übergeordnet bundespolitischen sowie europäischen Themen Frieden und Verständigung ist begrenzt. Aktuell habe ich noch kein Mandat; ich darf Ihnen aber übermitteln, dass ich in Wiesbaden eine der größten privaten Ukraine-Hilfsinitiativen der Region ins Leben gerufen habe. Mir war und ist wichtig, dass wir die Betroffenen im Kriegsgebiet nicht alleine lassen. Mit Herrn Putin habe ich noch nicht gesprochen. Ansonsten würde ich ihn bitten, seine Truppen sofort aus fremdem Gebiet abzuziehen, den Krieg noch heute zu beenden und großzügige Mittel für die Reparatur der angerichteten Zerstörung bereitzustellen. Bis es dazu kommt, werden wir unsere Hilfslieferungen an die ukrainische Bevölkerung fortsetzen. Die Stationierung der Raketen wurde von der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP getragen und genehmigt. Auch die CDU unterstützt das Vorhaben. Damit trägt die gesamte politische Mitte, der ich mich zurechne, diese Maßnahme. Zwar gab es in den Parteien auch einzelne Gegner der Entscheidung. Aber vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich Putin nicht an völkerrechtlich festgeschriebene Territorialgrenzen gebunden fühlt, muss sich Europa vor Russland als aktuell größter Bedrohung in Europa schützen. Die Diktatur Russland ist aktuell die größte Sicherheitsgefahr und kein Friedenspartner. Putin droht seit Beginn der Invasion der Ukraine mit nuklearen Waffen gegen die Ukraine und den Westen. Russland hat nuklearfähige Iskander-Raketen in der Exklave Kaliningrad stationiert. In Kaliningrad hat nach meiner Kenntnis keiner dagegen demonstriert, es gab dazu in Russland auch keine kritische Berichterstattung … Die Waffen sollen nach meinen Informationen eine begrenzte Zeit auf deutschem Boden bleiben, bis Europa selbst wehrhaft und im Besitz vergleichbarer Präzisionswaffen ist. Das militärische Engagement US-amerikanischer Truppen bleibt unter Trump ungewiss; umso wichtiger ist ein starkes, verteidigungsbereites Europa. Dass es sich um ein schwieriges Thema handelt, bei dem Argumente auf beiden Seiten nachvollziehbar sind, nehme ich zur Kenntnis. Neben dem von Ihnen zitierten Oberst a. D. gibt es zahlreiche Militärexperten, die eine Stationierung befürworten. Was die Bedeutung für unsere Stadt angeht: Wiesbaden ist als Ukraine-Hauptquartier, mit der Airbase und dann als NATO-Standort bereits in besonderer Weise exponiert. Selbstverständlich werde ich mich als Mayor for Peace dafür einsetzen, dass Atomwaffen weltweit geächtet werden. Die Androhung des Einsatzes und der Einsatz selbst verstoßen gegen Völkerrecht. Wenn es nach mir (als ehemaligem Zivildienstleistendem) ginge, gäbe es weltweit keine Waffen. Aber das wird leider vorerst eine Utopie bleiben. Gegenüber Diktaturen müssen wir wehrfähig bleiben, damit wir unsere offene Gesellschaft schützen und bewahren.“