Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung

Positionen der Wiesbadener Bundestagskandidaten zur Raketenstationierung

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl haben wir die Wiesbadener Bundestagskandidaten gefragt, wie sie zu der geplanten Stationierung von Mittelstreckenraketen stehen. Das sind die Antworten.

Unsere Fragen an die Wiesbadener Bundestagskandidaten

Beantwortet von: Nadine Ruf (SPD), Stefan Korbach (CDU), Ali Al-Dailami (BSW), Daniel Winter (Die Linke), Daniel Weber (Volt) und Alexander Müller (FDP)

Am 10. Juli 2024 haben die USA und Deutschland am Rande des NATO-Gipfels in Washington in einem bilateralen Statement angekündigt, ab 2026 landgestützte US- Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, sogenannte „Long Range Fires“ (LRF). Sie verfügen über Reichweiten von bis zu 3.000 km und haben damit das Potential, von Deutschland aus Ziele von strategischer Bedeutung in der Tiefe Russlands anzugreifen. Nach den Planungen des US-Militärs wird der Führungsstab für diese Raketeneinheiten in Wiesbaden angesiedelt sein und ist wohl auch schon vor Ort. In Wiesbaden befinden sich darüber hinaus mit ca. 5000 US-Soldaten das US-Hauptquartier der Landstreitkräfte für Europa undAfrika und das NATO-Unterstützungskommandos für die Ukraine.

Die geplante Raketenstationierung ist militärfachlich von Oberst a.D. Wolfgang Richter mehrfach beurteilt worden (Publikation Friedrich-Ebert-Stiftung vom 15.7.2024, Vortrag bei der SPD in Wiesbaden am 18.11.2024). Den aktuellsten Beitrag vom 25.12.2024 „Gefährden die neuen US-Raketen in Deutschland das nukleare Gleichgewicht?“, Berliner Zeitung, fügen wir zu Ihrer Information bei, weil hierin auch alle Gesichtspunkte, die gegen eine Raketenstationierung sprechen, dargestellt werden.

Zusammengefasst:

–       Die LRF sind weit mehr als ein operatives Gegengewicht zu den in Kaliningrad und Luga stationierten russischen Iskander-Systemen mit max. 500 km Reichweite.

–       Die in Europa stationierten See- und Luftstreitkräfte der NATO mit weitreichenden Marschflugkörpern sind der russischen Seite quantitativ und qualitativ weit überlegen.

–       Mit einer Flugdauer von 10 Minuten bis Moskau und 15 Minuten in den Ural können Ziele in Russland unter Bedrohung gehalten werden, die für das nuklearstrategische Gleichgewicht bedeutsam sind. Alle Schritte, die dieses Gleichgewicht unterminieren, verschärfen die Bedrohungswahrnehmung und tragen zur Destabilisierung der Sicherheitslage bei.

–       Die Vorwärtsdislozierung präziser und durchschlagfähiger LRF könnte einen potentiellen „Erstschlag“ verstärken, mit dem Ziel, das Zweitschlagpotenzial der Gegenseite auszuschalten. Die Fähigkeit, russische Raketen zu zerstören, bevor sie abgefeuert werden, „ist kein Abschreckungsgewinn. Sie passt in kein plausibles politisches Szenario und erhöht das Risiko für Deutschland.“

–       Russland wird stationierte LRF als Gefahr für das strategische Gleichgewicht ansehen. Sollte Russland „in einer Krise zu dem Schluss kommen, dass ein militärischer Konflikt unabwendbar ist, muss es nach militärischer Logik solche Systeme in ihren Stationierungsräumen präventiv zerstören.“ Konkret also die LRF-Einheiten in Deutschland mit Führungsstab in Wiesbaden. Bei von Russland angenommener existentiellen Gefährdung würde auch der Einsatz taktischer Atomwaffen erwogen werden. „Das Risiko eines solchen Szenarios trägt Deutschland ganz allein.“

–       Um, gerade auch im deutschen Sicherheitsinteresse, Stabilität und Sicherheit in Europa „zu gewährleisten, sollte man Moskau anbieten, einen Stationierungswettlauf landgestützter Mittelstreckenraketen durch Dialog und Rüstungskontrolle abzuwenden. Dies ist eine Frage der künftigen europäischen Sicherheit… Anders als beim Nachrüstungsbeschluss von 1979 gab es bisher kein Dialogangebot an Moskau, um den Stationierungswettlauf abzuwenden.“

–       „Zudem muss Deutschland zum bewährten Konzept der Risiko- und Lastenverteilung zurückkehren, um eine strategische Isolierung zu verhindern… Kein anderer europäischer Staat will derzeit US-Mittelstreckenraketen stationieren.“

Unsere Fragen:

  1. Teilen Sie diese Analyse und die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen?
Al-DailamiWinterMüller
Überwiegend ja.Ja, diese Position teile ich, zumindest bezogen auf die von Ihnen genannten Gesprächsauszüge.Nein.

Welche Konsequenzen ziehen Sie hieraus, sollten Sie dem nächsten Deutschen Bundestag angehören? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es nicht zur Stationierung der US-Raketensysteme kommt?

Al-DailamiWinter
Ja, ich werde mich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass es zu keiner Stationierung kommt.  Für den Fall des Einzugs in den Bundestag werde ich mich, genauso wie die kommende Linksfraktion, gegen die Stationierung von Langstreckenraketen in Deutschland mit einer Kommandozentrale in Wiesbaden einsetzen. Die Stationierung würde die militärische Konfrontation zwischen Russland und der Nato erhöhen und die Chancen für die Wiedereinführung
der internationalen Rüstungskontrolle verringern.

Insbesondere:

a. Was halten Sie davon, dass Deutschland allein die Risiken einer Stationierung trägt, die NATO und andere europäische Staaten nicht involviert sind und allein die US-Seite darüber entscheidet, ob von deutschem Boden aus LRF eingesetzt werden?

RufAl-DailamiWinterMüller
Deutschland ist aufgrund seiner geographischen Lage sowie aufgrund der US-Basen und Bündniseinrichtungen in Deutschland bereits exponiert. Das gilt auch für andere NATO-Alliierte. Am Rande des NATO-Gipfels wurde deshalb eine multinationale Initiative („European Long Range Strike Approach“ mit der Abkürzung ELSA) von den Verteidigungsministern Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens gezeichnet. 24 weitere Nationen haben ihr Interesse an der Initiative bekundet. Die temporäre Verlegung amerikanischer Mittelstreckenwaffen nach Deutschland ist insofern eingebettet in einen umfassenden Ansatz der NATO, bei dem die europäischen Streitkräfte größere Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen sollen. Ob Deutschland das einzige Land bleibt, in dem diese Systeme stationiert werden, ist noch nicht final entschieden. Aus der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zur Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland vom 10. Juli 2024 geht hervor, dass die Stationierung einen „Beitrag zur integrierten europäischen Abschreckung“ leisten soll. Somit ist klar, dass diese Waffen als Beitrag der USA für das Kräftedispositiv der NATO zu werten sind und nur in einem Bündniskontext ggf. zum Einsatz kämen. Die NATO hat bereits Anfang Februar 2019 darauf hingewiesen, dass sie angesichts der anhaltenden Bedrohung durch eine marschflugkörpergestützte Nuklearwaffe, die den Großteil Kontinentaleuropas erreicht, die eigene Verteidigungssicherheit sicherstellen muss. Vor dem Hintergrund dieser Bedrohungslage hat die Bundesregierung 2023 in der Nationalen Sicherheitsstrategie angekündigt, die Luftverteidigung in Europa grundlegend zu verstärken und abstandsfähige Präzisionswaffen zu entwickeln und einzuführen. Der grundlegenden Verstärkung der Luftverteidigung in Europa dient auch die vom Bundeskanzler im August 2022 lancierte European Sky Shield Initiative. Das ist im derzeitigen sicherheitspolitischen Umfeld notwendig, um unsere östlichen Alliierten zu schützen und rückzuversichern. Von daher widerspreche ich der Suggestion in Ihrer Frage, dass Deutschland allein die Risiken einer Stationierung trüge. Ich teile als Wiesbadener Bundestagsabgeordnete allerdings durchaus die Sorge viele Bürger:innen vor einem solchen Schritt. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen erhöht die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation, was ich im Folgenden ausführen werde.Wir sind kategorisch gegen die Stationierung von US-Raketen in Europa, doch auch der angesprochene Aspekt ist natürlich inakzeptabel. Die Bundesregierung macht Deutschland im Szenario eines großen Krieges so zu einem prioritären Ziel russischer Angriffe und bringt somit die Menschen hier in große Gefahr. Dass Washington über den LRF-Einsatz entscheidet, ist ein Eingriff in die dt. Souveränität und ebenso abzulehnen.Die Linke und auch meine Partei lehnt diese Stationierung ab. Hieraus ergibt sich bereits die Antwort. Sollte davon abgesehen allein die US-Regierung und die US Army über den Einsatz von LRF von deutschem Boden aus entscheiden, würde dies die Souveränität Deutschlands verletzen und wäre strikt abzulehnen.Die Wiederherstellung unseres Abschreckungspotenzials durch die USA, bis wir dies durch die Entwicklung eigener Fähigkeiten ersetzen können, begrüße ich.

b. Teilen Sie die Auffassung, dass bei einem Einsatz von LRF von Deutschland aus oder aber dem Einsatz vergleichbarer russischer Raketen, was z. B. schon durch einen Fehlalarm ausgelöst werden kann, ein großer europäischer Krieg entstehen kann, mit zerstörerischen Wirkungen auch für das Wiesbadener Stadtgebiet und die hier lebende Bevölkerung?

RufAl-DailamiWinterMüller
Ja, ich teile diese Auffassung und hoffe sehr, dass es nie zum Einsatz solcher Waffen von Deutschland aus kommen wird. Die Bundesregierung hat Russland deshalb gemeinsam mit den europäischen und amerikanischen Verbündeten in den vergangenen Jahren mehrfach aufgefordert, keine Mittelstreckensysteme zu entwickeln und zu stationieren und ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert. Seitdem hat Russland weitere bodengestützte Mittelstreckensysteme entwickelt und nutzt einige davon in der Ukraine. Russland ist bis heute nicht bereit, diese Systeme abzurüsten und bedroht alle europäischen Staaten durch Waffen dieser Art. Wir beobachten, dass Art und Umfang der massiven russischen Aufrüstung auch zur Aufstellung und Stärkung von gegen den Westen gerichteten Fähigkeiten und Kapazitäten genutzt werden und nicht ausschließlich in den Angriffskrieg gegen die Ukraine geworfen werden.Ja.  Aufrüstung, die nicht ausschließlich der Verteidigung dient, beinhaltet immer die Gefahr einer militärischen Eskalation und damit auch die
eines großen Kriegs.
Die Chance, dass diese Waffen durch ihre Abschreckungswirkung einen Krieg verhindern, ist deutlich höher.

c. Wäre es nicht besser, die beabsichtigte Stationierung – wie seinerzeit beim sog. NATO-Doppelbeschluss von 1979 – wenigstens mit einem Verhandlungsangebot zur Rüstungsbegrenzung zu verbinden, statt auf die Fortsetzung des Rüstungswettlaufs zu setzen? Würden Sie sich für ein solches Stationierungsmoratorium einsetzen?

RufAl-DailamiWinterMüller
Im Zuge einer Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland wäre ein neuer Rüstungskontrollvertrag nötig, der eine Begrenzung und Inspektion der neuen Systeme ermöglicht, um eine destabilisierende Wirkung zu vermeiden und die Sicherheit in Europa langfristig zu stärken. Denn die bittere Wahrheit ist, dass sich Abrüstung und Rüstungskontrolle schon seit längerem in einer tiefen Krise befinden. In den kommenden Jahren wird es nicht einfacher werden, denn die sicherheitspolitische Weltlage wird zunehmend komplizierter. Zukünftige Vereinbarungen, die über die Stationierung von Mittelstreckenraketen hinausgehen, müssen auch neue Mächte wie Indien und China einbeziehen und neue Technologien wie autonome Waffensysteme berücksichtigen. Zudem hat Russland durch die Entwicklung, Testung und Einführung von Waffensystemen, zum Beispiel des Waffensystems Iskander, den INF-Vertrag seit Jahren gebrochen und sich seit Jahren nicht mehr darangehalten. Selbst als die USA anboten, den Vertrag in Kraft zu halten, wenn Russland diese neuen Atomraketen wieder abschafft – übrigens in Absprache mit der Bundesrepublik –, wurde dies vom Kreml bewusst ignoriert. Die SPD will die globale Rüstungskontrollarchitektur trotz dieser Herausforderungen erhalten und diplomatische Bemühungen zur Deeskalation ausbauen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist unter anderem im November 2022 nach Peking gereist, um gemeinsam mit China das nukleare Tabu zu stärken. Zudem hat Olaf Scholz zuletzt am 15 November 2024 mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert. Obwohl Putin derzeit nicht zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist, ist es wichtig solche Gespräche aufrecht zu erhalten, um ein Stück strategische Stabilität in diesen gefährlichen Zeiten aufrechtzuerhalten. Auch die NATO bekennt sich weiterhin dazu, Kommunikationskanäle mit Moskau zu nutzen, um Risiken einzudämmen und Eskalation vorzubeugen, so zuletzt auch in der Erklärung des NATO-Gipfels in Washington, D.C. dargelegt. In keinem Fall darf es zu einer nuklearen Eskalation kommen. Die gemeinsame Abschlusserklärung der G20, die den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ablehnt, ist ein Erfolg der Politik des Bundeskanzlers und des westlichen Bündnisses. Wir dürfen bestehende Verträge und Initiativen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle nicht aufgeben.Zweimal ja.Tatsächlich habe ich die Zeit des Kalten Kriegs aufgrund meines späteren Geburtsjahrs nicht miterlebt. Aber selbstverständlich muss es einen
stetigen Austausch mit Russland bzgl. der gegenseitigen Abrüstung geben. Die Stationierungsabsicht sollte, wenn schon, unbedingt von einem Verhandlungsangebot zur Rüstungsbegrenzung begleitet werden. In jedem Fall unterstütze ich ein Rüstungsmoratorium.
Die NATO bietet ständig die Verhandlungen zur Abrüstung an. Ein Beispiel ist die Verhandlungen zu Beschränkungen von Waffen im Weltraum, bei denen westliche Staaten einen verhaltensbasierten Ansatz verfolgen, also jedes aggressive Verhalten verbieten wollen, hier blockiert Russland und China. Ich möchte zudem daran erinnern, dass Russland gegen den INF-Vertrag verstoßen hat. In Kürze: Russland blockiert momentan jede Abrüstungsinitiative und hat mit dem Angriff auf die Ukraine die eigene aggressive und völkerrechtswidrige Politik bestätigt.

d. Ist es aus Ihrer Sicht erforderlich, über die Risiken einer Stationierung eine breite Debatte im Deutschen Bundestag zu führen und die Bevölkerung über die mit einer Stationierung verbundenen Gefahren für Frieden und Sicherheit umfassend aufzuklären? Werden Sie sich hierfür einsetzen, auch konkret in Ihrer Wahlkreisöffentlichkeit? Sollte es im Deutschen Bundestag zu einer Abstimmung über die Raketenstationierung kommen, wie würden Sie sich dann verhalten?

RufAl-DailamiWinterMüller
Die Stationierung ist kein Verwaltungsakt. Sie betrifft die Menschen, die hier leben unmittelbar. Deshalb muss sie breit diskutiert werden und die Bevölkerung muss ausreichend über mögliche Risiken informiert werden. Deshalb habe ich im November eine Veranstaltung mit Wolfgang Richter organisiert, bei der das Thema kontrovers diskutiert wurde. Ich möchte auch weiterhin mit den Wiesbadenerinnen und Wiesbadenerinnen in den Austausch treten und mich im Bundestag für Ihre Interessen einsetzen. Im Bundestag haben wir im Oktober das erste Mal über die Frage der Stationierung beraten. Auch nach der Konstituierung eines neuen Bundestags muss im Plenum und im Verteidigungsausschuss über das Thema diskutiert werden.Zweimal ja in Bezug auf die ersten beiden Fragen. Bei einer Abstimmung über die Raketenstationierung würde ich mich lautstark gegen eine Stationierung aussprechen und bei jedem entsprechenden Antrag mit Ablehnung stimmen.  Ja, Ihr Anliegen unterstütze ich. Ich würde mich in meinem Wahlkreis
dafür einsetzen, die Bevölkerung über die mit einer Stationierung
verbundenen Gefahren für Frieden und Sicherheit aufzuklären, mögliche
Informations- und Beteiligungsrechte der politischen Gremien
auszuschöpfen und in einen Dialog mit der Bürgerschaft einzutreten. Bei einer Abstimmung im Bundestag würde ich gegen die Stationierung
stimmen. Dies wäre – laut Bundestagswahlprogramm – auch die Position der Linken im Bundestag.
Diese Entscheidungen sind Kernaufgabe der Regierung. Sollte es zu einer Abstimmung kommen, würde ich der Stationierung zustimmen.

e. Werden Sie sich für einen Abbruch der Projekte zur Entwicklung eigener europäischer Hyperschallwaffen und Marschflugkörper, an denen sich Deutschland aktuell beteiligen will, einsetzen?

RufAl-DailamiWinterMüller
Die russische Aufrüstung ist schon lange zu beobachten, sie wurde unter Verletzung der Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag vorangetrieben und hat letztlich dessen Scheitern verursacht. In den vergangenen Jahren wurde sie von Russland nochmal beträchtlich beschleunigt. Art und Umfang der massiven russischen Aufrüstung legen den Schluss nahe, dass diese Raketen nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen den Westen genutzt werden können oder sollen. Das bedeutet, dass diese Waffen uns direkt bedrohen.  Vor dem Hintergrund dieser Bedrohungslage hat die Bundesregierung 2023 in der Nationalen Sicherheitsstrategie angekündigt, die Luftverteidigung in Europa grundlegend zu verstärken und abstandsfähige Präzisionswaffen zu entwickeln und einzuführen. Diese Ziele wurden von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2024 bekräftigt. Auch ich halte diesen Schritt für notwendig angesichts der russischen Aufrüstung. Mittlerweile haben sich Großbritannien und Schweden der europäischen Initiative zur Entwicklung einer weit reichenden Präzisionsbewaffnung angeschlossen.Ja.Ich lehne die Entwicklung jeglicher Waffensysteme ab, die über die Landesverteidigung hinausgehen. Waffen und Raketen für Auslandseinsätze und Bedrohungspolitik trage ich nicht mit.Nein.

Daniel Weber erklärte Folgendes bezüglich der unter 1.) gestellten Fragen: „Die geplante Stationierung landgestützter US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, insbesondere in Wiesbaden, birgt erhebliche Risiken für die regionale und europäische Sicherheit. Ich teile die Einschätzung, dass eine solche Stationierung das nukleare Gleichgewicht in Europa destabilisieren könnte und dass Deutschland dadurch einer erhöhten Gefahr ausgesetzt wäre. Es ist problematisch, wenn Deutschland allein die Risiken einer solchen Entscheidung trägt, während andere europäische Länder sich nicht beteiligen. Ich werde mich im Bundestag dafür einsetzen, dass eine solche Entscheidung nur im Rahmen eines breiten europäischen Konsenses getroffen wird. Es muss ein Dialog mit allen beteiligten Akteuren, inklusive Russland, geführt werden, um die Eskalation eines Rüstungswettlaufs zu vermeiden. Ziel muss es sein, durch Diplomatie Stabilität zu schaffen und auf eine europäische Sicherheitsarchitektur hinzuarbeiten, die Frieden fördert.“

2.) Welche Auffassung vertritt Ihre Partei generell zur Friedens- und Sicherheitspolitik im Rahmen einer europäischen Friedensordnung und speziell zur Stationierung von neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen?

RufAl-DailamiWinterMüllerWeber
Europa und die Welt sind im Umbruch. Wir leben in einer Zeit fundamentaler geopolitischer Veränderungen. Es gilt noch heute, was Willy Brandt gesagt hat: „Jede Zeit will ihre eigenen Antworten und man hat auf ihrer Höhe zu sein, wenn Gutes bewirkt werden soll.“. Der russische Angriff auf die Ukraine war ein herber Schlag für die Genoss:innen in meiner Partei, die sich in der Tradition Willy Brandts für eine gemeinsame europäische Sicherheitsordnung unter Einschluss Russlands eingesetzt haben. Die Verantwortung für diesen Angriff trägt allein das russische Regime unter Präsident Putin und er kann durch nichts gerechtfertigt werden. Die SPD stellt sich deshalb den neuen Herausforderungen der Sicherheit Deutschlands und Europas. Diese sind ernst und müssen in der Gesellschaft breit diskutiert werden, weil sie für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. Es betrifft unsere Fähigkeiten, mit neuen Verhältnissen und Bedrohungen umzugehen, sowie die Verantwortung, Antworten zu finden, die die Bedrohungen vermindern und die Sicherheit stärken. Der Angriffskrieg Russlands stellt die europäische Friedensordnung in Frage und den Grundsatz, das Grenzen nicht gewaltsam verschoben werden dürfen. Dies versetzt auch baltischen Länder in große Sorge. Diese Sorgen haben wir vor den Beginn des Krieges jahrelang nicht oder eher zaghaft ernst genommen. Die Ereignisse der zwei vergangenen Jahre belehren uns eines Besseren. Der Generalinspekteur der Bundeswehr schätzt, dass Russland bis Ender der 2020er-Jahre dazu fähig ist, das Baltikum anzugreifen. Im Falle eines Falles tritt der Nato-Bündnisfalls ein. Von Russland geht derzeit eine akute Bedrohung aus, die wir sehr ernst nehmen müssen. Und die Bundeswehr? Sie steht nach wie vor nur bedingt abwehrbereit dar. Munition, die nur für wenige Tage reicht und eine unzureichende Luftabwehr. Putin hat erklärt, dass seine Ambitionen über die Ukraine hinaus reichen, er beispielsweise die frei getroffene Bündniswahl der Staaten Mittel- und Osteuropas rückgängig machen will und ein Recht auf eine russische Einflusszone in Europa beansprucht. Damit spricht er unseren Partnern in Mittel-/Osteuropa ihre Entscheidungsfreiheit über die Wahl ihrer Bündnisse und ihre Souveränität ab und droht ihnen ganz unmittelbar. Daher steht die SPD hinter der „Zeitenwende-Politik“ des Bundeskanzlers, der Unterstützung für die Ukraine und hinter dem Sondervermögen für die Bundeswehr.Die europäischen Armeen dienen ausschließlich der Verteidigung. Wir sprechen uns gegen die Gründung einer „EU-Armee“ oder ähnlichem aus, sondern begreifen eine europäische Friedensordnung stets gegründet auf Diplomatie, Austausch und Kooperation. Europa darf kein militärischer Block werden, der sich hochrüstet und so der Illusion von „Sicherheit“ anhängt. Eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen lehnen wir kategorisch ab.Russland wird allein geografisch immer Nachbar bleiben. Aufrüstung und unkontrollierte Abschreckungswaffen werden die Sicherheit in Europa nicht stärken, sondern zu einer dauerhaften wechselseitigen Bedrohungsszenerie
führen. Dies lehnen wir als Linke ab. „Soziale Gerechtigkeit, Klimanachhaltigkeit und Friedenspolitik müssen zusammen gedacht, entwickelt und umgesetzt werden.“ (Bundestagswahlprogramm) Die Stärkung des Sozialstaats ist essentiell auch für die Friedensarchitektur. Jede Kürzung im Sozialen befeuert gesellschaftliche Konflikte und stärkt Faschisten. Europa wäre in einem gemeinsamen Bündnis auch ohne die USA verteidigungsfähig.
Frieden kann erfolgen, wenn sich alle an die vereinbarten Regeln halten. Dazu gehört die territoriale Integrität von Staaten. Russland verletzt mit dem Angriff auf die Ukraine diese massiv. Auch hybride Bedrohungen sind an der Tagesordnung, sei es durch Cyberangriffe oder Beeinflussung im Netz. Für einen Frieden muss das aggressive Verhalten Russlands aufhören, ebenso wie chinesische hybride Angriffe. Wir verfolgen daher auf der einen Seite eine Abschreckungspolitik und bieten gleichzeitig Verhandlungen zur Abrüstung an. Diese muss im Gleichschritt erfolge, einseitige Abrüstung, wie der Atomwaffenverbotsvertrag ist möchte, schürt die Gefahr von neuen Kriegen, da Aggressoren sich ermuntert fühlen.Volt setzt sich für eine stärkere europäische Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ein. Wir sind der Meinung, dass Europa langfristig von einer gemeinsamen europäischen Armee profitieren würde. Diese würde dazu beitragen, Sicherheitsfragen europäisch zu lösen und nationale Alleingänge zu verhindern. Eine solche Armee sollte klaren demokratischen Kontrollen unterliegen und nur im Rahmen internationaler Vereinbarungen eingesetzt werden. Eine gemeinsame europäische Sicherheitsstrategie, die auf Dialog und Rüstungskontrolle setzt, wäre ein wichtiger Schritt, um den Frieden in Europa zu sichern. Ich halte es für essenziell, dass Deutschland sich für Verhandlungen zur Rüstungskontrolle stark macht und keine neuen Raketen stationiert, ohne vorher umfassende diplomatische Bemühungen unternommen zu haben.

3.) Stimmen Sie der Auffassung zu, dass Waffenlieferungen in Kriegsgebiete das Kriegsgeschehen befeuern, aber die Beendigung von Kriegen verhindern und gebotene diplomatische Lösungen vereiteln? Sollte Ihrer Meinung nach wieder zu dem von der „Großen Koalition“ gefassten Beschluss zurückgekehrt werden „Keine Waffenlieferungen in Krisengebiete“?

RufAl-DailamiWinterMüllerWeber
Der russische Überfall auf die Ukraine mit dem Ziel, den ukrainischen Staat zu zerstören und Land zu rauben, markiert einen tiefen Einschnitt in die europäische und internationale Ordnung. Wir werden die Ukraine gegen die anhaltende russische Aggression weiter unterstützen. Das vereitelt allerdings nicht die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung. Eine ein kompromisslose „Entweder-Oder-Politik“ ist nicht zielführend. Neben der militärischen Unterstützung für die Ukraine müssen wir im ukrainischen wie im europäischen Interesse darauf drängen, die Kämpfe einzustellen und schrittweise Bedingungen zu schaffen, die der Ukraine erlauben, mit europäischer Hilfe ihr Land wieder aufzubauen und in Sicherheit zu leben. Darüber hinaus ist es wichtig, auf die Länder einzuwirken, die Druck auf Russland aufbauen können. Diplomatie bedeutet allerdings nicht, dass wir einen Diktatfrieden akzeptieren – weder von Putin noch von Trump. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz bleibt für mich klar, dass das Existenzrecht Israels deutsche Staatsräson ist. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel war der größte Mordanschlag auf Jüdinnen und Juden nach der Shoa. Noch immer befinden sich Holocaust-Überlebende als Geiseln in der Gewalt der Hamas-Terroristen. Es ist unsere Verantwortung, Israel bei der Verteidigung seiner Staatsbürger:innen zu unterstützen. Gleichzeitig hat sich die SPD auch in diesem Konflikt für eine diplomatische Lösung eingesetzt und wird nun nach dem Waffenstillstand die Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützen. Generell müssen wir unser Augenmerk weiterhin und zukünftig noch stärker auf die globalen Entwicklungen richten. Die Krisen und Konflikte betreffen uns zunehmend. Flucht und Vertreibung durch Kriege sowie Armutsmigration sind regelmäßig die Folge, ebenso der Klimawandel, der ganze Regionen unbewohnbar macht. Das Mindeste, was wir dagegen tun können, ist die ausreichende Finanzierung von humanitärer Hilfe, ziviler Krisenprävention sowie Friedensförderung durch die Bundesregierung.Zweimal ja (Die GroKo selbst hat das natürlich immer wieder gebrochen, siehe Lieferungen an Länder der Koalition, die seit 2015 gegen den Jemen Krieg führt, allen voran Saudi-Arabien, das in jedem einzelnen Kriegsjahr – auch als der „Stopp“ galt – neue Waffenlieferungen genehmigt bekommen hat).  Die Linke und auch ich lehnen Waffenlieferungen grundsätzlich ab. Dabei bleibt es. Kriege enden fast immer mit Verhandlungen, Waffenlieferungen verlängern Kriege, sodass mehr Menschen auf dem Weg dorthin ihr Leben lassen müssen. Krieg bedeutet auch immer Klassenkampf. In den Schützengräben liegen zumeist die, die nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren haben. Wir als Linke stehen für ein Recht auf Flucht. Das gilt auch für SoldatInnen von der Front.Nein, diese Aussage ist zu pauschal. Die Waffenlieferungen an die Ukraine beispielsweise sind in unserem ureigenen Interesse. Sie zeigen klar, dass es heutzutage nicht mehr akzeptiert wird, wenn ein Land ein anderes überfällt.  Grundsätzlich sollte Diplomatie immer an erster Stelle stehen, um Konflikte zu lösen. Volt setzt sich dafür ein, Dialogprozesse zu fördern und alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, bevor über militärische Unterstützung nachgedacht wird. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass es Situationen gibt, in denen sich Bevölkerungen gegen Aggressionen verteidigen müssen. Ich befürworte daher eine differenzierte Betrachtung von Waffenlieferungen. Wichtig ist, dass jede Entscheidung in einem multilateralen Rahmen getroffen wird und keine Alleingänge unternommen werden. Deutschland sollte sich dabei eng mit seinen europäischen Partnern abstimmen.

4.) Sollte Ihrer Meinung nach der Aufgabenbereich der Bundeswehr unter Verzicht auf Auslandseinsätze auf die reine Landesverteidigung ausgerichtet werden? Dadurch würden die Verteidigungsausgaben erheblich gesenkt. Werden Sie sich gegen die geplante längerfristige Steigerung des Militär- und Verteidigungshaushalts aussprechen?

RufAl-DailamiWinterMüllerWeber
Nein. Wir erleben weltweit die Rückkehr eines aggressiven Nationalismus und des Denkens in Einflusssphären. Statt ökonomischer und sicherheitspolitischer Verflechtungen, die diese Entwicklungen dämpfen können, drohen zunehmend neue Handelskriege und Rüstungswettläufe. Besonders China hat seinen Einfluss in den letzten Jahren ausgebaut – nicht nur im Indopazifik, sondern auch in Afrika, Lateinamerika und in Europa. Ich finde nicht, dass wir davor die Augen verschließen und den Kopf in den Sand stecken können. Ich finde es richtig, dass die Bundeswehr beispielsweise an der EU-Operation EUNAVFOR ASPIDES im Roten Meer beteiligt ist, um Schiffe auf einer der wichtigsten internationalen Handelsrouten gegen Angriffe der Huthi-Milizen aus dem Jemen zu schützen. Auf dem Balkan engagieren sich deutsche Soldatinnen und Soldaten bereits seit langer Zeit im Rahmen von EUFOR ALTHEA und dem KFOR-Einsatz für eine stabile Region. Auch dieses Engagement halte ich für wichtig angesichts der Spannungen zwischen Serbien und Kosova. Der Völkermord von Srebrenica ist noch nicht lange her und wir tragen die Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder passiert.Zweimal ja.Ja. Die freiwerdenden Mittel können in eine gute Ausrüstung der Bundeswehr zur Landesverteidigung investiert werden. Gelder für Angriffswaffen lehnen wir und lehne ich ab. Wie groß der Investitionsbedarf innerhalb der Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit ist, kann ich nicht beurteilen. Hier fehlt mir die Fachexpertise. Eine Erhöhung der Militärausgaben lehne ich jedoch ab.Die Annahme, dass sich die Verteidigungsausgaben senken würden, würde die Bundeswehr nur noch für die Landes- und Bündnisverteidigung zuständig sein, ist falsch. Im Gegenteil, für die Landes- und Bündnisverteidigung müssen die Ausgaben für die Bundeswehr in den kommenden Jahren massiv steigen. Gleichzeitig ist es in unserem Interesse auch Internationales Krisenmanagement zu betreiben.Eine rein nationale Verteidigungsstrategie greift in einer globalisierten Welt zu kurz. Die Sicherheit Deutschlands hängt untrennbar mit der Sicherheit Europas zusammen. Daher halte ich es für sinnvoll, dass die Bundeswehr auch an internationalen Einsätzen beteiligt ist – jedoch immer im Rahmen internationaler Vereinbarungen und unter klaren demokratischen Kontrollen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Verteidigungsausgaben sinnvoll genutzt werden und dass Deutschland im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstrategie agiert. Ziel muss es sein, langfristig die Ausgaben zu senken, indem wir Konflikte durch Diplomatie verhindern und nicht durch Rüstung verschärfen.

5.) Verbunden mit dem Begriff der „Kriegstüchtigkeit“ werden in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen (Infrastruktur, Katastrophenschutz, Heimatschutz, Gesundheitswesen usw.) Vorbereitungen auf einen Kriegsfall getroffen. Unabhängig von den damit verbundenen Kosten für Sachmittel, Personal usw., die zu Lasten aktueller Bedürfnisse gehen, wird die Bevölkerung psychologisch auf eine Kriegssituation eingestimmt. Wie beurteilen Sie das? Gilt nicht bei allen denkbaren Kriegsszenarien, dass die Zerstörung zwangsläufig so gewaltig wäre, dass es allein gilt, mit Diplomatie einen Krieg auf deutschem Boden oder unter deutscher Beteiligung zu verhindern? Welche Bedeutung messen Sie hierbei dem sehr präzisen Friedensgebot in Artikel 69 der Hessischen Verfassung bei?

RufAl-DailamiWinterMüllerWeber
Für mich gilt: äußere Sicherheit darf nicht gegen die innere Sicherheit aufgewogen werden. Und die äußere Sicherheit darf nicht auf Kosten der inneren Sicherheit oder der sozialen Sicherheit gehen. Meine Partei und ich stehen dafür, dass wir uns in Haushaltsverhandlungen immer für die soziale Sicherheit und gegen Kürzungen bei der Rente, Familienpolitik und andere Säulen des Sozialstaats einsetzen werden. Die SPD und unser Bundeskanzler stehen für einen besonnenen Politikstil jenseits vom Populismus, den andere Parteien im Bundestag an den Tag legen. Ich messe unserer Landesverfassung und dem Friedensgebot aus Artikel 69 eine hohe Bedeutung bei. Ich denke aber nicht, dass eine Vorbereitung auf Ausnahmesituationen dem Bekenntnis zu Frieden im Weg steht. In den letzten Jahren wurde unser Land mehrfach von Umweltkatastrophen und schreckliche Anschläge heimgesucht. Ich bin dankbar für die Arbeit unserer Sicherheits- und Rettungskräfte, die zuletzt nach der Amokfahrt in Magdeburg gezeigt haben, dass sie schnell reagieren und Menschenleben retten können. Ich setze mich deshalb für eine Reform der Schuldenbremse ein. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat diese Position zuletzt in den Haushaltsverhandlungen der Ampel-Regierung klargemacht.Die Maßnahmen zur Erlangung von „Kriegstüchtigkeit“, die von mehreren Ampel-Ministerien in zivilen Bereichen vorangetrieben wurden, etwa Gesundheit, Bildung usw., lehnen wir kategorisch ab. Diese Ressorts sollen die zivile Infrastruktur stärken und sich nicht als Zweigstelle des Verteidigungsministeriums begreifen. Bezüglich der Zerstörung bei denkbaren Kriegsszenarien stimme ich Ihnen zu. Der Artikel 69, der das Bekenntnis zum Frieden und die Ächtung des Krieges enthält, ist von zentraler Bedeutung und sollte nicht als leere Floskel verstanden werden, sondern als Prämisse unser politisches Handeln bestimmen.Zustimmung. Die auch fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft und die psychologische Einstimmung auf eine Kriegssituation lehnen wir ab. Die Debatten müssen – gemäß Artikel 69 der Hessischen Verfassung – wieder verstärkt auf Friedens- und Abrüstungsthemen gelenkt werden. Die Linke sieht in einem Ende der (Angriffs)kriege und in einem Prozess der Aussöhnung die Voraussetzung für eine „Sicherheitsarchitektur in
Europa, die auf den Prinzipien der friedlichen Koexistenz und den Vereinbarungen der OSZE beruht, und alle Länder des Kontinents
einbezieht.“ (Bundestagswahlprogramm)

Kernaufgabe eines jeden Staates ist es, die eigene Bevölkerung zu schützen. Es wäre daher fahrlässig, die Bundesbürger nicht für einen Kriegsfall vorzubereiten. Das Eine schließt das Andere nicht aus, wir setzen uns weiterhin für eine friedliche Welt ein, sind aber auch bereit, sollten Aggressoren wie Russland unsere friedliche Absicht nicht anerkennen, uns zu verteidigen.Ich sehe die Gefahr, dass durch eine verstärkte Militarisierung der Gesellschaft ein Klima der Angst entsteht. Infrastruktur, Katastrophenschutz und Gesundheitswesen müssen primär dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen und dürfen nicht ausschließlich auf mögliche Krisenszenarien ausgerichtet werden. Volt setzt auf den Grundsatz: Frieden durch Dialog. Es ist unsere Pflicht, alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um Konflikte zu vermeiden. Das Friedensgebot in der Hessischen Verfassung ist dabei ein wichtiger Ankerpunkt. Wir sollten diesen Grundsatz auf Bundesebene stärker betonen und einen offenen Dialog über die Gefahren der Militarisierung führen.

Hinzu kommt folgende grundsätzliche Aussage von Daniel Winter: „Abschließend erkläre ich mich uneingeschränkt solidarisch mit den Menschen in der Ukraine. Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Das aktuell von Russland annektierte Territorium ist nicht anzuerkennen. Seitens Chinas und Brasiliens beispielsweise liegen Initiativen zu Friedenverhandlungen auf dem Tisch. Diese müssen aufgegriffen werden. Es müssen endlich alle Maßnahmen unternommen werden, das Ölembargo gegenüber Russland effektiv umzusetzen. Es kann nicht sein, dass Russland die Kriegskasse füllt und mit der Schattenflotte durch die Ostsee fährt. Den Einsatz militärischer Mittel gegenüber diesen Tankern lehne ich ab, grenzpolizeiliche Maßnahmen wie das Prüfen der Hochseetauglichkeit von Schiffen und Besatzung sowie Versicherungsverträgen der Reedereien müssen umgesetzt werden. Sollten Schiffe diese Kriterien nicht erfüllen, muss den Schiffen die Weiterfahrt verwehrt werden.“

Stefan Korbach antwortete folgendermaßen: „Ich gehöre der Generation „Baby-Boomer“ an. Beim Nato-Doppelbeschluss war ich junger Erwachsener und habe die Debatte, die ähnlich zu der heutigen verlief, aufmerksam verfolgt. Nicht nur beim Nato-Doppelbeschluss sondern auch bei vielen weiteren militärischen Konflikten in der Welt hat die Geschichte gezeigt, dass das Prinzip der Abschreckung überhaupt erst die Tür öffnet für Friedens- oder Abrüstungsverhandlungen. Der Kalte Krieg ist nur deshalb nicht heiß geworden, weil sich zwei Bündnisse gegenüberstanden, die sich militärisch in etwa gleichbürtig waren. Es ist ein ewiges Argument, dass Russland sich durch Aufrüstung bedroht fühle. Fakt ist aber: Russland ist der Aggressor und hat – ohne jegliches Zutun des Westens und mit genau diesem Argument – angefangen, die Ukraine anzugreifen und die vereinbarten Grenzen in Frage zu stellen. Keine Waffen zu haben und nichts zu tun, hat die Ukraine nicht davor geschützt, von Putin angegriffen zu werden. Wir hier in Deutschland haben natürlich ein vitales Interesse daran, dass es nie wieder zu einem Krieg kommt – keiner von uns will das. Unseren Frieden auch in Zukunft zu sichern, führt aber meines Erachtens nur über die Möglichkeit, sich im Falle des Falles auch entsprechend verteidigen zu können. Dafür brauchen wir eine wehrfähige Bundeswehr und starke Allianzen mit unseren europäischen und internationalen Partnern. Ich finde ein Zitat von Konrad Adenauer aus dem Jahr 1956 immer noch zutreffend: ‚In einer Welt der Gewalt wäre Pazifismus Selbstmord und kein Dienst am Frieden‘.“

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